Gefährliche Nachlässigkeit
Dienstag, 31. Oktober 2006Â Es gilt einiges klarzustellen, – dafür bemühen wir ein wenig die Geschichte. Bei Nietzsche, in den nachgelassenen Fragmenten, gibt es einige wirklich interessante Stellen zur Gastfreundschaft.
Ihm schwebte da wohl eine grenzenlos Freundlichkeit vor, die ohne Unterschiede zu machen, alles und jeden willkommen heißen möchte….“alles Werdende Schweifende Suchende Flüchtige soll mir hier willkommen sein! Gastfreundschaft ist nunmehr meine einzige Freundschaft!“
Oder an anderer Stelle: „Gastfreundschaft. – Der Sinn in den Gebräuchen der Gastfreundschaft ist: das Feindliche im Fremden zu lähmen. Wo man im Fremden nicht mehr zunächsten den Feind empfindet, nimmt die Gastfreundschaft ab; sie blüht, so lange ihre böse Voraussetzung blüht.“ ( Nietzsche zu zitieren bedeutet immer, Gedanken aus einem übergeordneten Zusammenhang zu reißen. Das gilt selbstverständlich generell für Zitate. )
Tja. Kommt Ihnen das nicht aus eigener Erfahrung bekannt vor?
Es geht um Macht und Kontrolle. An diesem Punkt ist auch ein bestimmtes, weit verbreitetes Toleranzverständnis beheimatet.
Denken Sie doch einmal über den Unterschied zwischen einem gastfreundlichen Ort, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung nach. Was bedeutet das für Sie? Viele denken hier bestimmt an die christliche Nächstenliebe, besonders an die Schwierigkeiten, diese – ausnahmslos – im Alltag zu praktizieren.
Was das mit Nachlässigkeit zu tun hat?
Gastfreundschaft im obigen Verständnis beinhaltet keine Praxis der Selbstsorge, keinen Prozess der inneren Arbeit, keine geistige Arbeit an sich selbst. Man kümmert sich nicht um sich selbst, sondern lebt ein Prinzip. Das ist ja nicht schlecht. Aber reicht das heutzutage aus?
Wie klärt man denn schnell ab, ob jemand, den Sie nicht kennen, Freund oder Feind ist? Was veranlaßt uns denn dazu, von uns selbst hinweg den Blick auf den Fremden hin zu öffnen? Was sind das für Gründe?
Nochmals Nietzsche: „Du möchtest schenken, wegschenken deinen Ãœberfluss, aber du selber bist der Ãœberflüssigste! Sei klug, du Reicher! Verschenke dich selber ( zu )erst…“