Freitag, 27. Oktober 2006, von Thomas Bebiolka
 Haben sie sich mal gefragt, wo auf der Welt die Orte sind für das, was Sie am meisten interessiert? Wo die Fragen gestellt und diskutiert werden, die das Blut in Ihren Adern schneller zirkulieren läßt? Und auf einem Quadratmeter mehr interessante Menschen zusammen sitzen, als in ihrer Alltags-Umgebung zusammen?
Warum sind Sie nicht dort, sondern woanders? Bestimmt haben Sie viele Antworten parat.
Fakt ist: durch eine pragmatische Lebenssteuerung, die nicht zu diesen magischen Orten drängt, gehen viele Möglichkeiten verloren. Man begnügt sich mit dem, was man hat, verlangt zu viel vom Staat, von den anderen.
Aber so entsteht keine Excellenz. Auch die Diskussion um Elite-Universitäten in Deutschland – alle im Süden – wird so schnell nichts daran ändern. „Universität sollte ein Raum sein, in dem neue Dinge an die Oberfläche sprudeln“, sagt Otto Scharmer, ein Visionär am MIT in Cambridge, der über die Universität im 21Jahrhundert forscht. Na wenn dem in Deutschland mal so wäre. Viele Menschen, alte wie junge, sind mit Wissen so angefüllt, dass sie es gerade noch zu Günther Jauch schaffen. Aber was ist wesentlich, was ist wirkliche Bildung, die zur Spitzenforschung und Weisheit führt? Die hilft, die Probleme der Welt zu lösen, ohne nur die Interessen der Mächtigen zu bedienen.
Die Methode der Aktionsforschung – Action Learning – ist ein Fachgebiet, das in diesen Fragen viel Aufschluss bieten kann. Es braucht als Grundlage Offenheit, sich inspirieren zu lassen und – Fragen zu stellen, die richtigen Anfängergeist zeigen. Das ist nämlich oft das Schwerste – zuzugeben, dass man nix weiß – aber wissen will. Und dafür brauchen wir wirklich gute, durchgearbeitete Lehrer, mit einer kräftigen Portion Weisheit und Liebe zum Menschen, die Potentiale erkennen und fördern können, Wege aufzeigen – und an denen man sich ordentlich reiben kann. Denn meine Erfahrung zeigt: ohne kritisches, zweifelndes, ringendes Hinterfragen, ohne Try and Error, ohne Leidenschaft und Führung, gibt es keine Evolution, dh keine besseren Lösungen.
So sieht eine der Kernkompetenzen der Zukunft aus. Keine Klugscheißerei mehr. Zurück zu den Wurzeln und lernen, die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen, die nicht sofort beantwortet werden können. Und das können Sie an dem Ort tun, an dem Sie gerade sind.
Nachdenken braucht eben Zeit.
Als Gast in fremden Kulturen lernt man ja sowieso viel durch beobachten und durch fragen.