Dienstag, 05. Februar 2008, von Thomas Bebiolka
Gestern habe ich nach langer Zeit mal wieder das Wirtschaftmagazin Brand Eins durchgelesen. Schwerpunkt Marketing…und weil Gabriele Fischer, die Chefredakteurin, im Vorwort das Cluetrain Manifest erwähnte – das wir vor Jahren schon durchgearbeitet haben( siehe Blogroll )…und weil ich heute Morgen wieder das Vergnügen hatte, mit einem deutschen Handwerksbetrieb eine Rechnung zu diskutieren…und weil wir ein Projekt initiiert haben, das sich mit Gastfreundschaft auseinandersetzt…und weil wir ein Angebot ausformuliert haben, das Mission Statement Gastfreundschaft heißt…und weil wir in der Lage sind eine Verbindung herzustellen, was eine gastfreundschaftliche Haltung mit dem Führen eines Wirtschaftbetriebes zu tun hat…dieser Blogbeitag.
Ein zentraler Satz des Cluetrain Manifests lautet: Märkte sind Gespräche. Genau…aber was für Gespräche?…Wir wissen natürlich wie es gemeint ist – aber da draußen, im Dschungel…beim „Handwerksmeister um die Ecke“…ist davon oft nix zu spüren. Und jetzt haben wir auch noch eine Dienstleistungsverordnung, die den Austausch von Leistungen auf der Ebene der Europäischen Union regelt, heißt: die Konkurrenz und der Druck wächst…und die bösen Baumärkte, die alles viel billiger anbieten…all das ist auch scheinbar bei einem kleinen Handwerksbetrieb in Sankt Augustin bei Bonn angekommen.
Und als ich dort vor „drei“ Monaten anrief und fragte, ob sie die Schaniere meiner Backofenklappe ( siehe Bild oben ) reparieren könnten – die sie vor knapp einem Jahr schon mal repariert hatten ( !!Kulanz, ein böses Wort ), sagten sie: aber sicher.
Dann passierte lange nix und ich machte mir Sorgen ( 8 Wochen vor Weihnachten ) ob wir die Weihnachtsplätzchen mit der Familie auch backen könnten. ( Und bitte: wir wissen auch, dass es wichtigere Probleme in der Welt gibt, als das Reparieren einer Ofenklappe – aber darum geht es hier jetzt nicht…und auf einer höheren Ebene natürlich doch!!! ) Das Unternehmen sagte: aber sicher. – Es kam zu einem Termin in meiner Küche im Oktober 2007 und nach 5 Minuten war klar: der Monteur hatte die falschen Teile mit, obwohl die Daten präzise mitgeteilt wurden. Dann sagte er noch: der Ofen wiegt 90 kg und ob ich mit anfassen würde den rauszuziehen. Ich sagte noch:..na da gibt es doch bestimmt eine Technik oder ein Gerät für??? Und weg war er wieder….Wochen später: Nach meinem 4 oder 5 Anruf wurde ich darüber aufgeklärt, dass das Unternehmen Gaggenau jetzt im Besitz von Siemes ist…und die hätten nun wirklich andere Probleme, als Ersatzteile an Kunden zu schicken…Das wars für 2007.
Ich kürze ab: Anfang Januar wurde repariert…die Monteure kamen zu zweit mit einem Hilfsgerät-Gerät, mit dem der schwere 90 kg Backofen problem- und mühelos aus der Verankerung gezogen wurde – warum sie zu zweit waren?…nun der eine war Spezialist im Herausziehen und der andere war Spezialist im Einsetzen von Schanieren. ( Die Begründung des Unternehmens für die Zweisamkeit: Ich, der Kunde, hätte mich geweigert, dem Monteur bei seiner Arbeit zu helfen. Deshalb sind sie zu zweit gekommen. !!! ) Nach ca. 40 Minuten war alles vor bei – das dabei zerschepperte Geschirr habe ich großzügig übersehen. Geht natürlich aufs Haus.
Ich sollte dann den Auftrag quittieren…warum nicht, ich bin ja ein freundlicher Mensch…nur die Beträge für die Schaniere waren im Auftragblock eingetragen ( 65 Euro )…ich fragte nach den Kosten, die da noch entstehen und die Monteure sagten ( obwohl sie bereits Jahre im Unternehmen arbeiteten…) keine Ahnung…das rechnet jemand anderes aus!!!
Als die Rechnung kam, betrug die Summe ca. 360 Euro für die Reparatur einer Ofenklappe. 180 Euro Arbeitslohn für 40 Minuten, Fahrzeiten und MWST sowieso. 3 Stunden für zwei Leute, die nur 40 Minuten gearbeitet haben und eine Reparatur, die ein geschickter Handwerker mit entsprechender Ausrüstung auch alleine hätte ausführen können. – Aber mein Tee, den ich freundlicherweise anbot, fanden sie sehr lecker…
Ich rief den Chef heute morgen an…sofort gereizte Stimmung am Telefon. Er sagte zu mir: Na da sind Sie aber schön blöd, wenn Sie etwas unterschreiben, wenn Sie die genauen Kosten nicht kennen, HaHaHa. Ich sagte: Aber wieso 3 Stunden…sie waren doch nur 40 Minuten hier…Er: ja und was ist mit der Anfahrt??? Ich sagte: Kostet denn die Anfahrt bei Ihnen so viel wie eine Montagestunde???Er: aber sicher, die Leute mußen sich vorbereiten und zu ihnen hinfahren. ( Vorbereiten, dachte ich…für das Einsetzen eines Schaniers???…das das ein OP? )
Mein Versuch einer Einigung scheiterte daran, das Er einfach auflegte. ( Anmerkung: Hätte diese Unternehmen mal einem Seminar „Mission Statement Gastfreundschaft“ teilgenommen – ich bin sicher, das Gespräch wäre anders verlaufen )
Achtung, zuhören: Das oberste Marketing-Versprechen der Kundenbindung – liebe Handwerker – ist die Bearbeitung von Reklamationen oder Unzufriedenheiten beim Kunden. Die Qualität der Ausführung sowieso. Davon ist bei Menschen, die mit dem Rücken zur Wand stehen, denen „die Felle“ wegschwimmen, ohne das sie anfangen darüber nachzudenken, dass es auch an Ihner Art liegen könnte, wenn die Kunden sich anders orientieren, leider nichts zu bemerken. Der Kunde ist der Dumme…und zahlt alles.
Mir geht es hier in diesem ausführlichen Beitrag um die Menschlichkeit, die ich in Gesprächen wie diesen gefährdet sehe. Darum mache ich mir ernsthafte Sorgen. Als Mediator kann ich ein langes Liedchen davon singen…und… ich kann die emotionale Wirkung eines solchen Gesprächs auflösen, – ich habe sogar Verständnis für IHN, den Chef…aber wie es konkret in der Praxis abläuft, wie ich oder andere es erleben, zeigt mir die Richtung einer zunehmenden Grund-Aggressivität im Business. Ob der Ehrliche ist der Dumme, wie Herr Wickert vor Jahren schrieb oder der Kunde stört oder ist der Feind und am Ende der Blöde,…für eine immer größer werdende Menge von Kunden in unserem Land wird die Lage ernst, sehr ernst. Insolvenzen haben vielfältige Gründe, gewiss, sind das Ende der Fahnenstange – dann interessiert sich aber niemand mehr für solche Details, dann wird abgewickelt.
Die geistige Vernachlässigung, Un-Freundlichkeit und die Un-Fähigkeit wertschätzend zu kommunizieren ist in vielen Branchen – unseren Recherchen nach – so gigantisch, dass „Nacharbeiten“ dieser Unzulänglichkeiten der größte Investitionsposten für die nächsten Jahrzehnte in „Eurer“ Bilanz sein würde…sollte es bei den Betroffenen ein Einsehen geben. – Was sagen eigentlich die Handwerkskammern dazu???
Zum Schluss: Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt man. Wir wissen auf jeden Fall, warum wir die 10 Gebote der Gastfreundschaft formuliert haben. Und eine Konsequenz ist: dieses Unternehmen bekommt nie mehr einen Auftrag von uns!!!Leider….
Die Uhr tickt für das deutsche Handwerk – aber sie tickt auch für jede Form von Täuschung, Unehrlichkeit und Unfreundlichkeit. Das Internet wird vieles korrigieren, ganz sicher. Wenn solche Erfahrungen zunehmen, dann werden es die Kunden sein, die bei Euch bald das Licht ausmachen. Willkommen Europa…vielleicht lohnt es sich ja noch ein paar Sprachen zu lernen – für die Handwerkskommunikation der Zukunft.
P.S.: In Brand Eins Februar-Heft wird für solche Handwerker-Erlebnisse und vieles mehr ein Projekt vorgestellt, das heißt „www.machdudas.de“ Da schaue ich in Zukunft auch mal nach, ob ich jemanden finde, der billiger und freundlicher ist, meine Damen und Herren Handwerker in Deutschland.