Vorweihnachtliche Gefühle in Zwischen-Räumen
Sonntag, 09. Dezember 2007, von Thomas Bebiolka
Mitten auf einem Waldspaziergang stehe ich plötzlich vor dieser Brücke, die mich über moorastigen Grund führen will. Sie ist ein Angebot – ich kann ja auch drumherum gehen und knietief einsinken.
Ich mache gerne lange Wanderungen in der Zeit am Ende des Jahres…in der sich anbahnenden Zwischen-Zeit, zwischen Alt und Neu, zwischen dem Bewusstsein wie es war und dem noch nicht genau wissen, wie es wird. Ahnungen tauchen auf… Bilanzen kündigen sich an…Ideen werden geboren.
Die Brücke erinnerte mich an meinen Beruf – Mediator sein und gangbare Brücken und Wege aufzeigen, entwickeln, gestalten, klären, versöhnen, belastbar und tragfähig sein – aber auch an unser Projekt zur Gastfreundschaft, das sich im zweiten Jahr befindet. Ich dachte an das Buch, das ich gerade gelesen hatte: „Wie wir den Krieg der Kulturen doch noch vermeiden können“, von Jonathan Sacks.
Jonathan Sacks ist Philosoph und Theologe und der oberste Rabiner derjüdischen Gemeinschaft „United Hebrew Congregations of the Commonwealth“. Seine Bücher wurden bisher noch nie ins Deutsche übersetzt. Sein Buch ist eine solide Analyse der Gegenwart aus dem Horizont der jüdischen Tradition und keine leichte Kost. Für philosopisch interessierte Leser besonders interessant: hier wird der Versuch unternommen, Platons Geist auszutreiben.
Mich speziell sprachen besonders die 6 Cs an: Control, Contribition, Creativity, Co-Operation, Compassion und Conservation. Ich füge ein 7 C hinzu: Contract/Vereinbarung. Wesentlich bei diesem Koordinatensystem ist die Richtung, in der es sich entwickeln soll.
Für religiös inspirierte Menschen heißt das konkret: ein global agierendes Wirtschaftssystem wird nach Kriterien beurteilt, die sich direkt oder indirekt auf die Würde des Menschen auswirken. Zack….
Heißt: Können wir als Weltgemeinschaft unter diesen Bedingungen zusammenleben? Können wir uns gegenseitig genug Raum geben? Können wir die unendlich lange Geschichte der Verletzungen und Kränkungen außer Kraft setzen? Kann Versöhnung überhaupt gelingen? Können wir uns verstehen? Wollen wir das überhaupt…wollen Sie das wirklich?
Das unsere Welt immer mehr zu einer Gesellschaft von Fremden wird, sollte unsere Identität nicht bedrohen. Es ist eine Chance. Jonathan Sacks versteht dies als Aufruf zu moralischer und spiritueller Großherzigkeit. Das ist anspruchsvoller, als viele Menschen oder Chefidiologen sich das im Moment vorstellen können. Es scheint aber ein gangbarer Weg zu sein, der langfristig gedacht werden muß und Opfer und Mühen kostet. Im Geist der gegenseitigen Gastfreundschaft leben, ist die Haltung der Stunde.
Was Brücken im Wald doch für interessante Gedanken auslösen können.